Eberhard Reimer 28.01.2020
reimer@zedat.fu-berlin.de
Zusammenfassender Kommentar zum Planungsstand der DEGES (Deutsche Einheit Fern-straßenplanungs- und -bau GmbH) betreffend den Umbau des Dreiecks A100/A115 und der dazugehörigen Ein- und Ausfahrten.
Das Gelände um den S-Bahnhof Westkreuz wird großräumig durchzogen vom Bahnbetrieb (International, regional und örtlich), der Avus, von Parkplätzen in der Nordkurve und der Stadtautobahn.
Der Planungsbereich umfasst das Areal vom Rathenauplatz bis zur Siedlung Eichkamp und entlang der Avus über den Bahnhof Westkreuz bis zum Kaiserdamm. Vom Individualverkehr her gesehen, gehören der Abschnitt der Stadtautobahn A100 und die Avus mit ver-schiedenen Ausfahrten zu den größten Verkehrsknoten Deutschlands und Europas.
In einer der letzten Verkehrszählungen wurden die mittleren Verkehrsdichten ermittelt:
- auf der A115 (Avus) bei Eichkamp mit >90.000 Kfz/Tag,
- auf der A100 zwischen Kurfürstendamm und Knobelsdorffstraße über 190.000 Kfz/Tag.
- im Abschnitt Jafféstraße und Messedamm zusätzlich 20.000-30.000 Kfz/Tag.
Die Angaben schwanken zwar von Jahr zu Jahr, aber im Vergleich mit anderen Autobahn-abschnitten in Deutschland liegt die A100 mit diesen Belastungen an mehreren Abschnitten seit Jahren an der Spitze.
Aktuell wird von der DEGES eine Dichte im Autobahndreieck von ca. 230.000 Kfz/Tag angenommen, dabei sind ca. 12.000 Lkw einberechnet. Im Jahr 2030 wird eine Erhöhung auf 250.000 Kfz/Tag erwartet. Der Bezugspunkt im Dreieck ist nicht benannt, aber im Vergleich ergibt sich ein starker Verkehr in die und aus den umgebenden Stadtarealen.
Die weitere Belastung der A100 durch Verkehre zwischen dem BER, Charlottenburg und dem zukünftigen Wissenschaftszentrum auf dem Areal Tegel Airport wird mit >20.000 Kfz/Tag zusätzlich angenommen.
Die A100 ist und bleibt die wichtigste Verbindung im westlichen Stadtbereich und sie ist im ganzen Planungsbereich bis zum Hohenzollerndamm auch heute mit Staus auffällig. Eine Verringerung der Verkehrsdichte auf der A100 ist laut Planung nicht zu erwarten und die täglichen Verkehrsstaus werden weiterhin bestehen. Bei einer Betrachtung der zulässigen Höchstgeschwindigkeiten im Dreieck muss festgehalten werden, dass zu Stauzeiten die Geschwindigkeiten auf der A100 bei 60Km/Stunde und darunter liegen. Dadurch kommt es auf der A115 und den Zubringern zu entsprechenden Staus, was oft zu „Stop and Go“-Verkehr führt.
Da der Umbau des Autobahndreiecks die Verkehrsdichte nicht verringern wird, wäre eine direkte Entlastung der A100 vorzusehen, die auch Verkehrsalternativen und übergeordnete Verkehrsumleitungen einbeziehen sollte.
Für das zukünftige Verkehrsaufkommen ergibt sich auch einige Unsicherheit durch das Fehlen eines Städtebau- und Nutzungsplans im Bereich des Dreiecks. Es sind Überlegungen vorhanden, die nach dem Umbau verbleibenden Areale um die ehemalige Nordkurve der Avus und das Areal des ehemaligen Güterbahnhofs Grunewald zukünftig für Gewerbe und Wohnen planbar und nutzbar zu machen. Je nach Nutzung können daraus zusätzlich erhebliche Verkehre resultieren, die in das neue Straßennetz im Dreieck mit eingeplant werden müssten.
Verkehre durch Sportveranstaltungen am Grunewald, im Olympiastadion, Messeereignisse und alltäglichen Transport zur Messe und durch eine Vielzahl von Schulen werden bei den Planungen und Verkehrssimulationen der DEGES nur teilweise in Betracht gezogen.
Planung der Ab-/Auffahrten im Dreieck
Grundsätzlich versucht die DEGES im vorgestellten Planungsstand eine bessere Autobahn-führung und Anbindung zu den umgebenden Stadtteilen zu erreichen. Als optimale Lösung wird von der DEGES die Mittellage der A115 durch die Nordkurve angeführt und eine Neuorganisation der Auf/Abfahrten zur A100 und der weiteren Umgebung.
Die Auf-/Abfahrten an der Halenseestraße sollen entfallen, da sie keinen Richtlinien für Stadtautobahnen entsprechen. Es gibt noch einzelne Auf- oder Abfahrten entlang der A100 am Kurfürstendamm, ICC und Kaiserdamm, deren Verbleib unklar ist. Es bleiben die kompletten Auf-/Abfahrten Hohenzollerndamm und Knobelsdorffstraße.
Neu dazu kommt in der Planung die Auf/Abfahrt Messedamm. Sie soll dann die fehlende Auf-/Abfahrt Halenseestraße überwiegend mit ersetzen. Auch die Auf-/Abfahrt Knobelsdorffstraße soll den Wegfall teilweise auffangen.
Die neue Auf-/Abfahrt Messedamm wird unmittelbar an den S-Bahnhof MesseSüd/Eichkamp gesetzt und ein mehrspuriger Zubringer im Bogen durch eine Unterführung zur A115 geplant. Von diesem Bogen gehen Abzweige zum Messedamm, zur Jafféstraße, zur Waldschulallee, zur Eichkampstraße und zum Gelände des Güterbahnhofs Grunewald. Die Siedlung Eichkamp befindet sich unmittelbar daneben. Durch die angebotene Unter-tunnelung der A115 wird eine Erhöhung der Autobahntrasse vor Eichkamp notwendig. Die konkrete Anbindung der Auffahrt ist in dem engen Areal zwischen A115 und Eichkampstraße noch im Ungewissen.
Dadurch wird die Ecke Messedamm/Jafféstraße zu einem Verkehrsknotenpunkt ernannt. Die heutigen Verkehrsdichten betragen dort 20.000 bis 30.000 Kfz/Tag. Diese Dichte soll durch die Maßnahmen besonders in der Jafféstraße verdoppelt werden.
Dabei werden die realen Verkehrsbelastungen durch Messezubringer zum Südeingang an der Jafféstraße und zum Osteingang am Messedamm unterschätzt. Das Areal der Nordkurve wird z.Zt. als Lkw-Parkplatz benutzt und stellt auch einen Pufferbereich für die Messe dar. Dieser Parkplatz soll nach Potsdam gelegt werden, was dazu führt, dass der LKW-Verkehr zur Messe direkt über die neue Auf-/Abfahrt Messedamm/Jafféstraße abgewickelt werden muss. Dazu kommt der Linienverkehr über die A115 zum Busbahnhof an der Masurenallee, so dass an dem engen und komplexen Bogen der Ausfahrt der Stau programmiert wird.
Denn zusätzlich zu dem Individualverkehr müssen die Verkehre zu Sportveranstaltungen und sechs Schulen im Bereich der Waldschulallee über den Verkehrsknoten mit abgewickelt werden.
In den Planungsunterlagen zur Mittellage der A115 befindet sich zunächst noch die be-stehende Auffahrt Messedamm in Richtung A100 nach Norden, die auch einen Tunnel aufweist. Sie führt zwischen dem Avushotel und der Zuschauergalerie zur heutigen A115/A100 .
Da in der Mittellage genug Platz neben der A115 bestünde und keine Wohngebäude in unmittelbarer Umgebung sind, könnte man die geplante Ab-/Auffahrt Messedamm auch dorthin legen. Eine Erhöhung der A115 wäre dann nicht notwendig. Außerdem liegt eine Einfahrt in das Messeareal direkt gegenüber, so dass ein großer Teil des Lkw-Verkehrs zur Messe den Messedamm nur über-/unterqueren muss. Dadurch könnte man eine Spreizung des Verkehrs am Messedamm erhalten und die Wohnbereiche schonen.
Im der Beispielskizze (siehe unten) ist die Aus-/Auffahrt Messedamm/Jafféstraße nach Norden verlegt. Um die Abstände zwischen den Abfahrten und Zusammenführungen einzuhalten, kann eine Konstruktion gefunden werden, die die Geometrie des DEGES-Entwurfes nutzt und ganz überwiegend die technisch geforderten Abstände erfüllt. Auch der DEGES-Entwurf enthält Kompromisse und im Berliner Stadtautobahnnetz gibt es einige Ausnahmebeispiele von den technischen Richtlinien.
Der Abstand zwischen der Zusammenführung A100-Nord und A100-Süd in Richtung A115 nach Süden und auch die Trennung der Richtungszubringer zur A100 in Richtung Nord und Süd können südlich der neuen Ab-/Auffahrt Messe gelegt werden. Die Rampen zur Auf- und Abfahrten können entsprechend weiter südlich beginnen und entlang der A115 zur Messe geführt werden, so dass die Trennpunkte 800m auseinander liegen können. Eine eindeutige Beschilderung auf der A100 und A115 wäre in weiterer Distanz möglich.
Die Abstände zwischen A115-Messe und den Anschlüssen an die A100 in Nord- und Süd-richtung können durch die Verlängerung der Zubringer in Richtung Kantstraße bzw. Halensee auch größere Distanzen über 600m erreichen.
In Grün sind die verschiedenen Aus/Abfahrten mit Pfeil eingezeichnet. Es wäre zur Ent-lastung der Stadtstraßen und Zubringer sinnvoll eine nördlicher gelegene Auffahrt zur A100 von der Halenseestraße nach Norden und eine Auffahrt zur A100 nach Süden vor dem Rathenautunnel zu belassen.
Die geplanten Baumaßnahmen sollen über Monate oder Jahre hinweg mit Umleitungen über die Waldschulallee, Harbigstraße und parallel zur A100 einhergehen, was unmittelbar an Wohnhäusern entlang führte.
Lärm:
Durch die verschiedenen Verkehre, die zukünftig zunehmen werden, ergeben sich erhebliche Lärmbelastungen entlang der Autobahnen und Bahnlinien. Trotz Schallschutzmauern liegt laut Berechnungen im Auftrag der DEGES die mittlere Lärmbelastung weiterhin im obersten Bereich im Berliner Stadtgebiet. Auch aktuelle Lärmmodellierungen sind nur Näherungen. Der Bau höherer Schallschutzmauern könnte mit Begrünung akzeptabel sein.
Luftbelastung:
Bei den Luftbeimengungen Feinstaub (PM10) und Stickstoffdioxid (NO2), die beide mit Grenzwertvorgaben der EU mitteilungspflichtig sind, ergeben sich in den vorgestellten Verkehrssimulationen weiterhin überhöhte Belastungen aus den Verkehren, die zwar auseinandergezogen, aber weiterhin in den modellgestützten Abschätzungen vorhanden sind. Die bis 2030 zunehmende, zum Teil evtl. modernisierte Autoflotte wird mit etwa gleichbleibenden Emissionen angenommen.
Luftreinhaltemodellierungen neigen zur Unterschätzung von Maxima, so dass die Feinstaub-belastung eine noch höhere Anzahl von Tagen im Jahr mit Überschreitung der zulässigen Konzentrationsgrenzwerte (35 Tagesmittel über 50µg im Jahr) und auch den Wert von 40µg im Jahresmittel an der Stadtautobahn erreichen wird als von der DEGES angenommen. Die Konzentrationen ergeben sich aus Anteilen des überregionalen Transports, der Einwirkung des Berliner Stadtgebietes und lokaler Emissionen.
Bei NO2 wird im engeren Avus- und Stadtautobahnbereich die mittlere Jahreskonzentration von 40µg/m³ überschritten und auch in Prognosen wird sich das in den nächsten Jahren nicht vermindern. (Besonders belastet sind je nach Wettersituation die Kleingärten im gesamten Bereich.)
Eine grundlegende Veränderung der Verkehrsemissionen wird nicht angenommen. Daher wäre eine Deckelung der A100 im Bereich der zu ihr östlich gelegenen Wohnhäuser sehr sinnvoll, um die unterschiedlichen direkten Belastungen zu mindern.
Klima:
Eventuelle Überlegungen zur Nutzung der zukünftigen freien Areale im Westkreuzbereich sollten frühzeitig benannt werden, da die alleinige Planung der Autobahntrassen die eventuelle Erschließung von Einzelgebieten erschweren kann.
Eine Rahmenbedingung ergibt sich für das gesamte Bahngelände in Zusammenhang mit der Belüftung und Kaltluftproduktion im westlichen Bereich der Charlottenburger Innenstadt. Im Klimaatlas Berlins wird der Bahnbereich als Frischluftschneise zur Innenstadt aufgeführt, wobei das Areal mit Kleingärten entlang der Avus und um die S-Bahnhof Westkreuz und mit allen offenen Flächen des Bahngeländes als besonders wichtig angesehen wird. Es wird eine hohe Bebauung als nicht sinnvoll angesehen.
In der westlichen Innenstadt Charlottenburgs ergeben sich durch die kompakte, recht enge Bebauung Wärmeinseleffekte, die im Sommer zur Gefahr für Gesundheit und Leben führen. Auch in diesem Zusammenhang ist die weitere Offenhaltung des Bahngeländes im Umwelt-infosystem Berlin und in der Projekt-Kooperation „Umweltgerechtigkeit“ der Senatsver-waltung Berlins als sinnvoll erkannt, da vom Grunewald, über das Bahngelände, die Gärten und den Lietzenseebereich mit der Hauptanströmrichtung die Frischluftzufuhr gewährleistet wird.
Feststellungen:
Die A100 muss entlastet werden, da die Stausituation im Dreieck A115/A100 durch die Planung nicht gemindert wird.
Für die Fahrzeugflotte müssen wie im Stadtbereich technische Vorgaben erfolgen, um die Emissionen der Kfz zu verringern.
Die zukünftige Nutzung der Areale im Westkreuzdreieck muss in einem Plan festgestellt werden, um weitere Zunahmen des Verkehrs abschätzen zu können.
Die gesamte Umweltbelastung ist in der Innenstadt und im Übergangsbereich zur Innenstadt hoch, so dass die bestehenden Umweltempfehlungen und -feststellungen für das größere Westkreuzareal einzuhalten sind.
Die Auf-/Abfahrt-Messe kann unter überwiegender Einhaltung der technischen Vorgaben für Autobahnen nach Norden verlagert werden. Die Belastung der Wohnbereiche wäre stark verringert (auch während der Bauzeit).
Durch eine Deckelung der A100 zwischen Kantstraße und Kaiserdamm verringerten sich die verschiedenen Belastungen der Wohnbereiche.
Eine Nutzung der Deckelung durch Kleingärten wäre klimatisch sehr sinnvoll (es gibt
Beispiele).